Versuch zur gemeinsamen Haltung von Kühen und Kälbern- mutterkuhgebundene Kälberaufzucht

Viele Menschen möchten gerne, das Kühe und Kälber zusammen aufwachsen. Auch in der Natur wäre das Aufwachsen gemeinsam. In der Praxis ist es allerdings üblich, das Kälber und Kühe nach der Geburt getrennt werden. Das ist meistens auch nicht anders möglich, weil die Anforderungen an den Stall so unterschiedlich sind und ein Kalb sich z. B. im Boxenlaufstall, wo die Kühe leben, verletzten würde. In einem Versuch bei uns auf dem Hof möchte ich gerne die optimale Lösung für unseren Bauernhof herausfinden. Grundsätzlich möchte ich die Tiere so naturnah wie möglich halten. Aber gleichzeitig müssen sich alle Tiere immer wohl fühlen und  sich natürlich nicht verletzen. Durch das Anlegen einer Kälberweide in direkter Nachbarschaft zur Kuhweide sollen sich die Tiere hier immer nahe sein können. Mal sehen was alles möglich ist. Am liebsten würde ich die Kälber nach der Geburt morgens und abends direkt am Euter der Kuh saufen lassen. Aber ob das wirklich besser für das Tierwohl ist, muss sich in dem Versuch erst zeigen. Es gilt der Grundsatz: "Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht". Deshalb werde ich meine Tiere genau beobachten, um dann die bestmögliche Lösung zu finden.

Versuchsaufbau und Durchführung

Die ersten 24 Stunden bleiben Kuh und Kalb zusammen in einem Strohstall. Danach werden die Tiere getrennt. Die Kuh kommt in den Boxenlaufstall zu den anderen Kühen. Das Kalb kommt in den Kälberstall zu den anderen Kälbern. Morgens und abends wird die Kuh zu ihrem Kalb in die Kälberweide getrieben und verbringt dort etwa eine Stunde zusammen mit dem Kalb. Das Kalb soll dann Milch direkt aus dem Euter saufen. Nach dieser Zeit wird die Kuh nochmal am Melkroboter gemolken. Eine spezielle Einstellung am Melkroboter sorgt dafür, das die Kuh nicht kurz vor dem Treffen mit dem Kalb am Roboter gemolken wird. Tagsüber können sich Kuh und Kalb jederzeit am Zaun treffen und sich dort gegenseitig liebkosen. 

Nach etwa 14 Tagen sollen sich Kalb und Kuh nur noch am Zaun treffen, ohne dass das Kalb Milch saufen kann.

Beobachtungen

  • in den ersten Tagen des Wiedersehens sind sowohl Kalb als auch Kuh unruhig
  • nach ein paar Tagen legt sich die Unruhe. Die Kühe warten morgens bereits am Ausgangstor des Stalles oder kommen dorthin. Sobald das Tor geöffnet wird, laufen sie selbständig zur Kälberweide.
  • Die Kälber saufen morgens und abends schätzungsweise je drei bis sechs Liter Milch.
  • Die Kälber vertragen diese Milchmenge relativ gut. Ein Kalb bekommt allerdings am zehnten Tag Durchfall. 
  • Die Trennung von Kalb und Kuh nach dieser einen Stunde funktioniert bei den Versuchstieren ohne Gefahren für die Menschen, manche Tiere stehen nach dieser Trennung noch länger am Zaun.  
  • Das Beenden der 14 tägigen Tränkephase verläuft mit unruhigem Verhalten von Kuh und Kalb. Manchmal steht das Kalb am Zaun und muht, manchmal macht das die Kuh. Dieses Verhalten ist auch während der ersten 14 Tage zeitweise zu beobachten, wenn das Kalb und die Kuh nicht zeitgleich auf der Weide stehen.
  • Bei einer von vier Versuchskühen hängt das Euter zu tief, so dass es dem Kalb nicht möglich ist, daran zu trinken. Auch mit intensiver Hilfestellung gelingt es nicht. Das Kalb konnte auch keine Milch bei den anderen Kühen saufen. Diese haben das Kalb getreten, wenn es Milch saufen wollte.
  • Bei Regenwetter ist das Zusammentreffen von Kuh und Kalb auch notwendig, für alle Beteiligten aber nicht angenehm. 

Schlussfolgerung

  • Der Versuch wurde mit vier Kühen durchgeführt. Bei drei von vier Kühen funktionierte rein technisch die Tränkemethode gut. Bei einem Tier hing das Euter zu tief. Solche meist ältere Tiere sind für diese Tränkemethode ungeeignet.
  • Ein Kalb bekam Durchfall nach zehn Tagen. Bei diesem Kalb erfolgte die Trennung von der Mutter nach neun Tagen. Das war zu früh. Die anderen Kälber hatten auch mal leichte Verdauungsprobleme. Diese stellten für das Kalb kein Problem dar und verschwanden von alleine. Wenn diese Tränkemethode angewendet wird, sollte es mindestens 14 Tage dauern.
  • Das Trennen der Kühe von der Herde, um sie zum Kalb zu lassen, verlief reibungslos und ließ sich relativ einfach durchführen. 
  • Das Trennen der Tiere nach dem Zusammentreffen scheint bei den Tiere Trennungsschmerz zu verursachen. 
  • Dieser Trennungsschmerz scheint besonders groß zu werden, nachdem die endgültige Trennung nach 14 Tagen geschieht.
  • Problematisch könnte es sein, wenn die Kuh eine (auch subklinische) Euterentzündung in einem Viertel des Euters hat. Das Kalb könnte die Krankheitserreger von einem Euterviertel auf das nächste übertragen, wenn es nacheinander daran saugt. Anmerkung: Die Versuchstiere waren alle eutergesund, deshalb war es hier kein Problem. Alle unsere Kälber saufen die ersten 24 Stunden am Euter. Bisher gab es keine Probleme. 
  • Ein Problem könnte auch im Bereich der Arbeitssicherheit für die Menschen liegen. Die tägliche Trennung von Kalb und Kuh kann zu Aggressionen bei manchen Kühen führen, die eine Gefahr für die Menschen darstellen könnte. Anmerkung: Bei den Versuchstieren war das nicht der Fall. Es gibt aber Tiere bei uns im Stall, die ihre Kälber nach der Geburt aggressiv verteidigen und niemanden in den Stall lassen.  
  • In dieser Form ist diese Tränkemethode für mich momentan noch nicht praxisreif. Ein Problem ist die Wetterabhängigkeit. Es gibt vor allem aber Probleme im Bereich   Tierwohl. So schön wie die Bilder von Kälbern und Kühen zusammen auf der Weide auch sein mögen und so sehr ich mir selbst so eine Aufzucht wünschte, so unschön ist das ganze nach der täglichen Trennung und ganz besonders nach der endgültigen Trennung nach 14 Tagen. Vielleicht wäre es einen Versuch wert, den Treffpunkt von Kuh und Kalb anders zu wählen. Einen Ort, der von den Kühen nicht immer zu sehen und zu erreichen ist. Zu gegebener Zeit wird es dazu nochmal einen Versuch geben. Weitergehende Versuche und Überlegungen sind auch nötig, um die Arbeitssicherheit jederzeit sicherzustellen. Auch die Frage zur Eutergesundheit lässt sich nach nur vier Testtieren nicht abschließend beurteilen.